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Globalisierung auf den Sport übertragen – Gespräch mit Georg Zanger

2022-08-17 09:05 Ökopark


© FC Bayern Football School Qingdao


Sportfunktionäre und -wissenschaftler aus Österreich und China diskutierten am 22. Juli Fragen der Ausbildung von Nachwuchsfußballern. Die österreichischen Experten informierten über wissenschaftlich fundierte Trainingsprogramme und -methoden. Diese würden helfen, dass jeder Jugendliche seinen Fußballtraum verwirklichen kann, erklärte der frühere chinesische Spitzenfußballer und Torjäger, Sun Xinbo. Von den österreichischen Erfahrungen lohne es sich zu lernen. Organisiert wurde das Treffen vom Deutsch-Chinesischen Treffpunkt Qingdao und der Austrian Chinese Business Association, deren Präsident Georg Zanger überzeugt ist, dass durch intensiven Sport- und Kulturaustausch Differenzen in den bilateralen Beziehungen ausgeräumt werden können.


Globalisierung auf den Sport übertragen

Gespräch mit Georg Zanger


Herr Zanger, wie sehen Sie die derzeitigen Beziehungen zwischen Österreich beziehungsweise Europa und China?

Zunächst lässt sich feststellen, dass sich die Wirtschaftsbeziehungen auch in der Zeit der Pandemie nicht verschlechtert haben. Im Gegenteil. Wenn Sie sich die Bilanzen im Im- und Export anschauen, stellen Sie fest, dass das Volumen sogar gestiegen ist. Diese Entwicklung muss weiter unterstützt und ausgebaut werden. Alles andere würde Europa schaden. Es würde Europas ausgewogene Position zwischen China und den USA gefährden. Das sollte auch den Politikern bewusst sein. Aus meiner Sicht muss allen klar sein: Wirtschaft ist das eine, Gesellschaft das andere. Die gesellschaftlichen Verhältnisse haben sehr viel mit Traditionen, Kultur, Geschichte zu tun. Das sollten wir respektieren. Ungeachtet der verbreitet negativen Berichterstattung in den österreichischen Medien muss zur Kenntnis genommen werden, dass sich das Leben der Menschen in China seit Beginn der chinesischen Öffnung insgesamt deutlich verbessert hat. Denken Sie nur daran, dass es gelungen ist, 800 Millionen Menschen aus der Armut zu befreien. Vergessen Sie auch nicht, dass wir hier vorwiegend Informationen von nur einer Seite erhalten, von Institutionen, die bestimmte Ziele verfolgen, und das nicht immer objektiv und oft alte Vorurteile manifestierend. Ich glaube, es ist notwendig, sich über Standards der Information Gedanken zu machen. Zu kritisieren, ist ja nicht verkehrt. Kritik muss aber mit Respekt für den Partner vorgetragen werden, und sie darf nicht pauschal sein.


© ACBA Georg Zanger ist Wirtschaftsanwalt in Wien und Präsident der Austrian Chinese Business Association: „Mit Shandong verbinden mich langfristige Kontakte.“


Offensichtlich ist, dass in jüngster Zeit Missverständnisse im bilateralen Verhältnis zunehmen. Welche Rolle können Kultur und Sport spielen, damit sich beide Seiten einander wieder näherkommen?

Wir sollten uns der Zeiten des „kalten Krieges“ wieder stärker erinnern, als Kultur und Sport einen wesentlichen Teil zur Entspannung beigetragen haben. Ohne den kulturellen und sportlichen Austausch, der ungeachtet der gesellschaftlichen Systeme gepflegt wurde, wären die Entwicklungen in der Sowjetunion und in Osteuropa Ende der 1980er-Jahre gar nicht denkbar. Selbst in den schwierigsten, ja zum Teil gefährlichen Zeiten wurden die Kontakte gepflegt. Wenn, wie es heutzutage passiert, Kultur- und Sportverbindungen abgebrochen werden, verlieren wir die Plattform, die es uns erlaubt, künftig miteinander zu reden.


Warum haben Sie den österreichisch-chinesischen Jugendfußball-Dialog mitinitiiert?

Wir hatten schon vor einigen Jahren junge chinesische Fußballer eingeladen, damit sie sich an Turnieren in der Slowakei und in Tschechien beteiligen konnten. Ich glaube, im Jugendfußball beziehungsweise im Austausch zwischen jugendlichen Fußballern liegt ein Potenzial für bessere Verständigung, das noch viel zu wenig gesehen wird.


© FC Bayern Football School Qingdao Das Team zählt, nicht der Einzelne. FC Bayern Foodball School im Deutsch-Chinesischen Ökopark: Trainingsbasis für Nachwuchsfußballer und Trainer.


Es gibt zwei Bereiche, in denen China ganz offensichtlich den Willen hat, europäische Standards zu erreichen. Das ist der Wintersport, und das ist der Fußball. Vom Austausch in diesen beiden Bereichen kann auch Österreich profitieren, obwohl mir klar ist, dass wir da sehr elementare Unterschiede haben.

China hat eine Reihe sehr guter Fußballspieler. Es sind aber Einzelspieler, die bisher noch nicht zu einer spielerisch starken Mannschaft zusammengewachsen sind. Das Verständnis, die Mannschaft als Gemeinschaft zu sehen, fehlt noch weitgehend. Der Austausch kann dies vermitteln, wobei ich das Potenzial viel stärker im Amateurbereich sehe, um schrittweise diesen Gemeinschaftsgeist einer Mannschaft zu entwickeln.

Wichtig ist weiterhin, chinesische Trainer auszubilden, unsere Erfolgsrezepte mit ihnen zu teilen. Selbstverständlich kann der chinesische Fußball auch profitieren, wenn wir Trainer entsenden. Insgesamt ist im chinesischen Fußball aber noch ein weiter Weg zu gehen. Mit viel Geduld. Die katapultartige Entwicklung, wie wir sie in anderen Sportarten bei den jüngsten Olympischen Spielen gesehen haben, kann ich bisher noch nicht feststellen.


Herr Zanger, scheinbar rühren die gegenwärtigen Reibungen in den bilateralen Beziehungen daraus, dass Chinas Wirtschaft in vielen Bereichen zu einem Wettbewerber geworden ist. Fürchten Sie nicht, dass sich dies im Fußball wiederholt, wenn Sie gezielt die Entwicklung des chinesischen Fußballs unterstützen?

Ich habe recht gute Kontakte in den österreichischen Fußball, insbesondere zur Wiener Austria. Mein Eindruck ist, „Angst vor Konkurrenz“ spielt keine Rolle. Im Gegenteil. Erstens ist uns bewusst, dass es noch lange dauern wird, ehe China ein wirklicher fußballerischer Wettbewerber wird. Gleichzeitig sehen wir eine Chance, unseren Fußball zu „exportieren“ und damit zu entwickeln. Das gilt bestimmt nicht nur für Österreich. Denn je mehr Wettbewerber in der Welt sind, desto stärker entwickelt sich der eigene Fußball.

Das ist wie in der Wirtschaft. Wer sich aus Angst vor Konkurrenz verschließt, verliert unausweichlich. Das wäre genau das Gegenteil der Idee, die in der Globalisierung steckt. Die Globalisierung muss auf den Sport übertragen werden. Das hilft, Missverständnisse abzubauen. Es hilft auch, Frieden zu stiften. Mit Georg Zanger sprach Peter Tichauer


Das Interview erscheint Ende September in China insight 3/2022.

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