Seit knapp einem Jahr ist Wang Li Vizepräsidentin des Verwaltungskomitees des Deutsch-Chinesischen Ökoparks. Den Park kennt sie seit der Stunde Null, als sie an den Beschlüssen zu seinem Aufbau beteiligt war. Hat sie den Ökopark in den vergangenen Jahren eher von außen beobachtet, schaut sie nun von innen auf die Entwicklung. Sie sagt, an der Gründungsidee wird auch künftig festgehalten. Als nachhaltiges urbanes Entwicklungsgebiet wird der Ökopark noch attraktiver.
© Gao Yingjun
Frau Wang, was ist Ihnen zuallererst durch den Kopf gegangen, als Sie erfuhren, dass Sie künftig im Deutsch-Chinesischen Ökopark arbeiten werden.
Im Ökopark und in der Pilot-Freihandelszone zu arbeiten, war für mich ebenso etwas Neues, wie die mir übertragenen Aufgaben. In der Vergangenheit habe ich vorwiegend für die Verwaltung der Stadt gearbeitet. Auf Bezirksebene habe ich weniger Erfahrung. Ende 2008 bis Anfang 2011 war ich zwar für kurze Zeit im Bezirk Licang tätig. Da ging es aber darum, den Unternehmen im Auftrag der Stadtregierung sozusagen „unter die Arme zu greifen“. Hier sollte ich Verantwortung auf Bezirksebene übernehmen. Das ist schon etwas anderes.
Der Ökopark war für Sie aber bestimmt kein „Niemandsland“. Was bedeutet es Ihnen, hier zu arbeiten?
Nun, ein Begriff war der Ökopark für mich schon, auch wenn ich hier im Bezirk Huangdao weder lebe noch gearbeitet habe. In der Anfangsphase der Entwicklung, als mit der Planung für dieses Gewerbegebiet begonnen wurde, als der Ökopark gegründet und die Rahmenbedingungen für seinen Aufbau definiert wurden, war ich im Amt für internationale Beziehungen der Stadt für Europa- und Afrika-Angelegenheiten verantwortlich. Selbstverständlich kam ich damals mit dem Ökopark auch in Berührung und war an Entscheidungen beteiligt. Die Beratungen fanden hier nebenan in dem kleinen Holzhaus statt, das gerade modernisiert wird. Ansonsten gab es hier nichts. Gar nichts. Abgesehen von den Dörfern im Umkreis. Knapp zehn Jahre sind seitdem vergangen. Damals hätte ich nicht zu träumen gewagt, dass sich der Ökopark so schnell entwickelt.
Später hatte ich in der Stadtregierung andere Aufgaben und ich habe das Geschehen hier nicht mehr unmittelbar verfolgt. Aber 2017 oder 2018 fand im Ökopark eine Veranstaltung statt, zu der ich auch eingeladen war. Mich hat überrascht, wie sich der Park herausgemacht hat. Die weitere Entwicklung mitzubestimmen – für mich ist das eine spannende Herausforderung.
Haben Sie den Ökopark in den vergangenen Jahren eher von außen beobachtet, bestimmen Sie jetzt den Puls.
So ist es. Meine Rolle hat sich verändert. Ich bin nicht mehr Beobachterin, sondern Handelnde.
Womit unterscheidet sich der Ökopark von anderen Gewerbegebieten in China?
Obwohl hier längst noch nicht alles perfekt ist, überzeugt mich der Ökopark vor allem dadurch, wie die Grundideen für seine grüne und nachhaltige Entwicklung nicht nur konsequent umgesetzt, sondern auch immer weiter vervollkommnet werden. Bei dem Tempo unserer chinesischen Entwicklung gibt es selbstverständlich hier und da den Wunsch, schnelle Ergebnisse zu erzielen, was zuweilen dazu führt, dass festgelegte Maßstäbe „geschliffen“ werden. Hier im Ökopark ist dies anders. Von der anfänglichen Planung bis zum Aufbau des gesamten grünen Umfelds und der Ansiedlung von Unternehmen wurden die Gründungsideen hochgehalten. Das ist mir in dem knappen Jahr, das ich hier arbeite, so richtig bewusst geworden.
Dass, wie Sie sagen, noch nicht alles perfekt ist, ist selbstverständlich. So ist nun einmal Entwicklung. Probleme müssen erkannt und behoben werden. Was ist das drängendste Problem, das gelöst werden muss?
Stimmt, Probleme zu haben, das ist mehr oder weniger normal. Welches das drängendste ist? Bei der Fülle meiner Aufgaben hatte ich noch gar nicht richtig Zeit, mir darüber Gedanken zu machen.
Lassen Sie es mich anders fragen. Sie sind als Vizepräsidentin des Verwaltungskomitees unter anderem auch für die internationalen Beziehungen verantwortlich. Was wollen Sie tun, um den Ökopark noch internationaler zu machen?
Eigentlich ist mein derzeitiger Arbeitsschwerpunkt vor allem die koordinierte Entwicklung von Pilot-Freihandelszone und Ökopark. Dazu gehört, sich Gedanken zu machen, welchen Weg der Ökopark in den kommenden zehn Jahren nehmen wird. Und selbstverständlich müssen wir dabei auch an weitere Internationalisierungsstrategien denken. An dem Gründungsgedanken, die Zusammenarbeit mit Deutschland zu intensivieren, werden wir auch künftig festhalten. Gleichzeitig müssen wir eine „offene“ Internationalisierung anstreben. Das heißt, künftig wollen wir deutschen Unternehmen ein noch attraktiveres Umfeld bieten und darüber hinaus den Dialog in Bildung, Kultur und Sport mit deutschen Partnern ausbauen. Zur selben Zeit wollen wir uns für Unternehmen aus anderen Ländern, aus Japan und Korea zum Beispiel, weiter öffnen.
© Gao Yingjun
U-Bahn-Baustelle im Ökopark: Vier Stationen wird es ab Ende 2023 im Gewerbegebiet geben.
Was für ein Gewerbegebiet wird der Deutsch-Chinesische Ökopark in zehn Jahren sein?
Dem Namen entsprechend werden die deutschen Charakteristika noch stärker ausgeprägt als bisher sein. Es wird ein Gebiet sein, in dem es sich gut leben und arbeiten lässt, in dem Stadt und Land ineinander verschmelzen. Wir werden kaum Wolkenkratzer haben, dafür aber eine ausgeklügelte nachhaltige Infrastruktur. Was die Industrie betrifft, werden wir in den folgenden zehn Jahren in den Schwerpunktbranchen – Gesundheitswirtschaft, moderner Maschinen- und Anlagenbau, Produktion integrierter Schaltkreise und maritime Wirtschaft – komplette Wertschöpfungsketten haben und starke Unternehmen, die die Entwicklung bestimmen werden.
Und schließlich wird unserem Gründungsslogan entsprechend das Leben hier nicht nur grüner, sondern noch angenehmer. Im ersten Jahrzehnt ist aus einem Dorf ein Gewerbegebiet entstanden. Jetzt geht es im nächsten Jahrzehnt darum, zu einer lebenswerten Stadt zu werden – mit umfangreichen Bildungs- und Kulturangebot und medizinischer Versorgung auf internationalem Niveau. Auch die Verkehrsinfrastruktur, die öffentliche Verkehrsinfrastruktur, wird sich deutlich verbessern. Die Bauarbeiten der U-Bahnlinie 6 sind bereits im vollen Gange. Vier Stationen wird die U-Bahn bei uns im Ökopark haben. Soweit ich weiß, soll die Bahn Ende 2023 den Betrieb aufnehmen.
Bei der Gründung des Ökoparks ging es auch darum, deutsche Unternehmen anzusiedeln, deutsche Hersteller von Umwelttechnologie. Real produzierende deutsche Unternehmen gibt es bisher noch nicht so viele. Gleichzeitig nehmen die Spannungen im Verhältnis mit Deutschland und ganz Europa derzeit zu. Wie wollen Sie in den kommenden Jahren für deutsche Unternehmen attraktiver werden?
Wenn Sie sagen, es seien noch recht wenige deutsche Unternehmen, dann denken Sie vermutlich vor allem an die großen Hersteller wie Siemens, ContiTech oder Siempelkamp. Darüber hinaus haben wir hier eine Reihe kleiner, aber sehr starker Unternehmen. Hidden Champions. Die Zusammenarbeit mit Deutschland hat für uns zudem einen weit breiteren Rahmen als „nur“ die Industrieproduktion. In Schule, Sport, Kultur, Forschung und Entwicklung, Städteplanung und vielen anderen Bereichen haben wir enge Kooperationen mit deutschen Partnern. Bei uns im Ökopark hat der Deutsch-Chinesische Treffpunkt Qingdao seinen Sitz. Die Kollegen halten die Fäden in der Hand, um das Netzwerk der Kooperationen mit deutschen Partnern noch enger zu knüpfen. Sie haben die Betreuung der sieben Charterflüge für deutsche Geschäftsleute im vergangenen Jahr übernommen und versucht, den Reisenden die notwendige Quarantänezeit so angenehm wie möglich zu machen. Selbstverständlich ist Quarantäne kein Zuckerschlecken, aber dank der Betreuung durch unsere Kollegen haben die Reisenden einen positiven Eindruck von Qingdao gewonnen. Ich denke, das hilft uns auch, Aufmerksamkeit auf den Standort Qingdao zu lenken, so wie es auch mit der Kammertour Mitte Juni war, die nach Qingdao führte. Und: Kein Besuch in Qingdao ohne einen Besuch bei uns im Deutsch-Chinesischen Ökopark.
Sie sind gleichzeitig auch Vizepräsidentin des Verwaltungskomitees der Pilot-Freihandelszone in Qingdao. Gut zwölf Quadratkilometer des Ökoparks sind Teil der Freihandelszone. Was bedeutet dies für die künftige Entwicklung des Deutsch-Chinesischen Ökoparks? Oder anders gefragt: Welche Vorteile hat dies für Unternehmen, die im Ökopark angesiedelt sind?
Die Nähe zur Freihandelszone ist für alle Unternehmen im Ökopark ein Pluspunkt, egal ob sie in der Zone liegen oder nicht. Die Pilotfreihandelszone bietet eine Reihe von Maßnahmen, die es Unternehmen erleichtern, Geschäfte abzuwickeln. So sind die Registrierungsverfahren deutlich vereinfacht. Oder beim Im- und Export sind die Zollformalitäten einfacher. Unter bestimmten Bedingungen kann zollfrei ein- und ausgeführt werden. Auch im Finanz- und Steuerrecht gibt es Maßnahmen, die den Unternehmen den Alltag erleichtern. Wichtiger noch ist, dass in den Pilot-Freihandelszonen getestet wird, wie das Investitionsumfeld verbessert werden kann. Ist es erfolgreich, werden die Regeln landesweit ausgerollt. Peter Tichauer
Das Interview erscheint Ende Juni in "China insight" 2/2021.