Auf diesen Beschluss wurde seit Frühjahr gewartet. Am 26. August hat der Staatsrat der VR China dann endlich grünes Licht gegeben und beschlossen, sechs weitere Pilot-Freihandelszonen zu gründen, um Reformen und Öffnung weiter voranzutreiben. Die Zonen entstehen in Shandong, Jiangsu, Guangxi, Hebei, Yunnan und Heilongjiang.
Wie auch die bisherigen zwölf Pilot-Freihandelszonen (Shanghai, Guangdong, Tianjin, Fujian, Liaoning, Zhejiang, Henan, Hubei, Chongqing, Sichuan, Shaanxi, Hainan) werden in den sechs neuen Zonen jeweils besondere Schwerpunkte der wirtschaftlichen Entwicklung gelegt, in denen bestimmte Reformen erprobt werden. So soll Heilongjiang als Testfeld für die Intensivierung der regionalen Zusammenarbeit mit Russland und Nordostasien dienen, Guangxi vor allem für die stärkere wirtschaftliche Integration mit der Asean-Region. In Jiangsu stehen neue Formen und Innovation in der Realwirtschaft im Mittelpunkt, während die Pilot-Freihandelszone in Shandong unter anderem auf die Entwicklung der sogenannten „blauen Wirtschaft“, also der biomarinen Industrie, sowie eine engere Verflechtung mit den Nachbarn Japan und Korea ausgerichtet sein wird. Außerdem soll Shandongs im vergangenen Jahr verabschiedete Strategie zur umfassenden Erneuerung der industriellen Basis, die unter dem Motto „alt durch neu ersetzen“ steht, neuen Schub erhalten. Ziel ist, die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und zu einem Motor für beschleunigte Reformen nördlich des Jangtse zu werden. Eine besondere Rolle kommt dabei der Hafenmetropole Qingdao zu, die sich in den kommenden Jahren vor allem am Shenzhen-Modell messen und für die Regionen nördlich des Jangtse dieselbe Bedeutung bekommen soll, die Shenzhen für das Perlflussdelta und darüber hinaus ganz Südchina hat. Insgesamt gilt für Shandongs Pilot-Freihandelszone dasselbe wie für alle anderen bestehenden beziehungsweise neu gegründeten, dass die Qualität der wirtschaftlichen Entwicklung auf eine neue Ebene gehoben werden soll, dass Effizienz gesteigert wird und neue Triebkräfte freigesetzt werden. Investitionen werden erleichtert und das Investitionsumfeld grundlegend verbessert. Dienstleistungen für alle Akteure der Wirtschaft sollen optimiert werden, insbesondere im Finanzsektor. Gleichzeitig werden bürokratische Hürden abgebaut.
Aus drei mach‘ eins
Die Pilot-Freihandelszone Shandong erstreckt sich insgesamt über eine Fläche von 119,98 Quadratkilometern und besteht aus drei Teil-Zonen, die sich jeweils in der Provinzhauptstadt Jinan (37,99 Quadratkilometer) sowie in den Hafenstädten Qingdao(52 Quadratkilometer) im Süden und Yantai (29,99 Quadratkilometer) im Norden der Shandong-Halbinsel befinden. Die bestehenden 9,12 beziehungsweise 2,26 Quadratkilometer großen Zoll-Freihäfen in Qingdao und Yantai werden in die jeweiligen Gebiete der Pilot-Freihandelszone integriert. In dem Beschluss zum Aufbau der Zone wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass bei der Erschließung Faktoren wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz oberste Priorität haben.
© Karte: Baidu Ditu
Für die drei Teilzonen wurden klare Vorgaben für Schwerpunkte der Entwicklung gemacht. Für die Provinzhauptstadt Jinan steht die Erprobung neuer Wirtschaftsformen in zukunftsweisenden Industrien im Mittelpunkt. Dazu gehören künstliche Intelligenz, Fintech, Gesundheits- und Altenpflege sowie Kultur- und Kreativwirtschaft. Die Teilzone in Jinan soll zu einem regionalen Wirtschaftszentrum von gesamtchinesischer Bedeutung werden, zu einem wichtigen Logistikstützpunkt und Innovationshub.
In Yantai stehen Maschinen- Anlagenbau mit hoher Wertschöpfung, die Entwicklung und Produktion neuer Werkstoffe und von Informationstechnologie der neuesten Generation, Energieeffizienz und Umweltschutz, die Biopharma-Industrie sowie industrienahe Dienstleistungen im Mittelpunkt. Die Teilzone in der Stadt soll zu einem Vorreiter für den Handel mit und Investitionen aus Korea werden, zu einer Basis für die Anwendung intelligenter Lösungen in der maritimen Wirtschaft sowie zu einem Mustergebiet für den Austausch chinesischer und internationaler wissenschaftlich-technischer Ergebnisse.
© pt
Mit 52 Quadratkilometern ist Qingdao die größte der drei Teilzonen der Pilot-Freihandelszone Shandong.
Qingdao soll sich dagegen als Zentrum für eine moderne maritime Wirtschaft profilieren, als internationales Handels- und maritimes Logistik-Drehkreuz für Nordost-Asien, als Finanzplatz und Standort für zukunftsweisende industrielle Fertigung. Außerdem soll die Stadt zu einem bedeutenden Innovationszentrum an der chinesischen Ostküste aufsteigen und beispielhaft für die maritime Wertschöpfung werden, um Qingdao zu einer einflussreichen Küstenmetropole des Landes zu machen.
Die Qingdaoer Teilzone ist nicht nur die flächemäßig größte, sondern nach eigenen Angaben auch die bedeutendste. Aus Sicht der Stadt wird die Zone der weiteren Modernisierung, Öffnung und Positionierung als internationales Zentrum entscheidende Impulse verleihen. Gleichzeitig schaffe sie gute Möglichkeiten für eine auf hoher Qualität basierten wirtschaftlichen Zukunft. Die Qingdaoer Teilzone befindet sich komplett im Neuen Bezirk Westküste nördlich der Jialingjiang Lu. Im Norden dehnt sie sich bis zur Longmenhe Lu aus, während sie im Westen an den Weiler Wangtai grenzt und im Osten an den Vorderen Hafen (Qiangang). Neben dem Zollfrei-Hafen ist auch die Zollfrei-Zone Westküste Teil der Pilot-Freihandelszone. Der Deutsch-Chinesische Ökopark ebenso.
© SGEP
Der Deutsch-Chinesische Ökopark befindet sich in der neuen Pilot-Freihandelszone Shandong.
Sieben Schwerpunkte
Mit dem Aufbau der Pilotfreihandelszone in Shandong sollen sieben wesentliche Ziele erreicht werden. Ganz oben steht, dass die Verwaltung effektiver wird. Dazu sollen in der Zone neue Methoden erprobt werden. Das trifft insbesondere auf eine Straffung aller Genehmigungsverfahren zu. Ziel ist dabei, Angebote aus einer Hand zu machen und auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und das Investitions- und Geschäftsumfeld freundlicher zu gestalten.
Dieses Ziel greift in die zweite Aufgabe über, die auf neue Reformen zur Erleichterung von Investitionen zielt. Eine stärkere Liberalisierung soll erreicht und ausländische Unternehmen sollen mit inländischen auf eine Stufe gestellt werden. Ausländische Investoren sollen unter anderem gleichberechtigt an der Erarbeitung von Normen für Brennstoffzellen-Antriebe beteiligt werden und in Berufsbildungseinrichtungen oder Logistik-Agenturen für Luftfracht investieren können. Ein weiterer Bereich ist die Gleichstellung von in- und ausländisch investierten Personalagenturen. Außerdem sollen in der Freihandelszone registrierte Reiseagenturen Auslandsreisen vermitteln können, außer nach Taiwan. Parallel dazu werden Maßnahmen erprobt, um Investitionen nicht nur erfolgreicher anzuwerben, sondern auch besser zu schützen. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen soll dazu eine Plattform geschaffen werden, über die den Firmen die notwendige Unterstützung gewährt wird.
© pt
Drittens sollen in der Freihandelszone Maßnahmen zur Erleichterung im Außenhandel erprobt werden. Das betrifft unter anderem die Erweiterung des Rahmens für Importzertifizierungen durch Dritte. Durch Zusammenführung von Inlands- und Außenhandelslogistik soll die Effizienz im Handel erhöht werden und für die Ausfuhren ist ein moderneres Verfahren zur Vergabe von Exportlizenzen zu entwickeln. Durch optimierten Warenumschlag soll der Handel insgesamt effizienter werden. Außerdem sollen in der Freihandelszone registrierten Unternehmen neue Bereiche für den Handel erschlossen werden, etwa die Einfuhr von Flugzeugteilen für Reparatur und Re-Export. Dasselbe soll für industrielle, elektronische und Kommunikationsanlagen gelten. Die Zollverfahren sollen in diesen Fällen vereinfacht werden. Insgesamt ist das Ziel, die Abwicklung des Handels zu vereinfachen und für eine Reihe von Waren und Dienstleistungen neue Handelsplattformen zu erschließen, etwa bei Rohöl und chemischen Produkten, Lebensmitteln, Getränken und Wein oder technischen Gütern mit hoher Wertschöpfung.
Als vierte Aufgabe steht die Erprobung neuer Formen in der Finanzwirtschaft und Finanzierung, wobei die weitere Internationalisierung des Chinesischen Yuans und seine Verwendung als internationale Handelswährung im Mittelpunkt stehen. Unter anderem soll die Vergabe in Yuan nominierten In- und Auslandskrediten vereinfacht werden. Gleichzeitig sollen Formen der Verrechnung in ausländischen Währungen innerhalb der Freihandelszone erprobt werden. Ebenso Möglichkeiten, neue und innovative Formen der Finanzierung.
Fünftens soll die Freihandelszone ein Feld für die Stärkung der Innovationskraft bieten. Ausländischen Spitzenkräften wird ermöglicht, Start-up-Unternehmen und Inkubatoren für technische Innovationen aufzubauen. Dabei soll die Zusammenarbeit mit Finanzeinrichtungen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen unterstützt werden, um eine Plattform für Innovation zu entwickeln. In der Freihandelszone soll außerdem eine Forschungsakademie für Technologie der Provinz Shandong aufgebaut werden, an die führende Wissenschaftler aus dem In- und Ausland berufen werden sollen. Des Weiteren soll die Freihandelszone Beispiel für duale Ausbildung sein. Dabei soll insbesondere Qingdao bei der Entwicklung der Zusammenarbeit mit Deutschland eine Rolle spielen. Beim Thema Innovation stehen zudem die Entwicklung in der Medizin und der beschleunigte Aufbau der Gesundheitswirtschaft ebenso im Mittelpunkt wie die Stärkung des Schutzes geistigen Eigentums, für dessen Durchsetzung bestehende Strukturen optimiert sowie neue erprobt und aufgebaut werden sollen. Und schließlich ist in diesem Zusammenhang die Schaffung eines Umfeldes wichtig, das es erlaubt, Spitzenkräfte auszubilden, die im internationalen Vergleich bestehen können.
Die Entwicklung einer hocheffizienten marinen Wirtschaft ist der sechste Schwerpunkt für Shandongs Freihandelszone. Das Spektrum reicht von der biomarinen Grundlagenforschung und Entwicklung, etwa den Aufbau der „Blauen Genbank“ über die nachhaltige Nutzung der biomarinen Ressourcen bis hin zum Bau von Anlagen und Ausrüstungen zur Erschließung der Meere. Dafür soll die internationale Zusammenarbeit gestärkt und eine Plattform für das Engagement ausländischer Investoren aufgebaut werden. Und schließlich sollen Dienstleistungen und Funktionalität in der internationalen Schiffslogistik verbessert werden und Modelle erprobt werden, die die Abfertigung von Schiffen vereinfachen und beschleunigen.
Der siebte Schwerpunkt ist die Intensivierung der Zusammenarbeit mit den unmittelbaren Nachbarn Korea und Japan. Durch die Kooperation sollen Synergien für der drei Märkte erschlossen und neue Formen der Kooperation erprobt werden. Genannt ist unter anderem die Ansiedlung von Niederlassungen ausländischer Warenbörsen in der Freihandelszone. pt
Der Artikel erscheint Ende September in "China insight" 3/2019.